Wilhelm Totok zum 80. Geburtstag
Wilhelm Totok zum 80. Geburtstag
Am 12. September 2001 vollendet Prof. Dr. Wilhelm Totok das 80. Lebensjahr. Als Amtsnachfolger
ergreife ich gern die Gelegenheit, herzlich zu gratulieren und an die Lebensleistung des Jubilars zu
erinnern, die weit über Hannover hinaus wirksam geworden ist.
Nach der Ausbildung an der UB Marburg und beruflichen Tätigkeiten an der Deutschen Bibliothek in
Frankfurt am Main und wieder in Marburg war Wilhelm Totok von 1962 bis zum 30. September 1986,
also bis zum fristgerechten Eintritt in den Ruhestand, Direktor der Niedersächsischen
Landesbibliothek in Hannover. Die zeitweise glanzvolle Geschichte dieser ehemals Herzoglichen,
Kurfürstlichen und später Königlichen Bibliothek (gegründet 1665), für die die Namen Leibniz und
Pertz stehen, hatte mit der Angliederung Hannovers an Preußen im Jahre 1866 einen Rückschlag
erlitten, der auch 100 Jahre später noch kaum überwunden war. In der Amtszeit von Wilhelm Totok
vollzog sich der Wiederaufstieg der Niedersächsischen Landesbibliothek von einer schlecht
ausgestatteten, schlecht untergebrachten und selbst an ihrem Standort Hannover wenig angesehenen
Einrichtung zu einer der großen Landesbibliotheken Deutschlands mit vielfältigem Aufgabenspektrum
in der Region und gegenüber der Universität Hannover.
Wilhelm Totok entwickelte für diesen Wiederaufstieg drei große Ideen. Zunächst galt es, durch die
Errichtung eines neuen Gebäudes in der Waterloostraße (1972-1976) die Bibliothek nach mehr als
250 Jahren endlich aus den völlig unzureichenden und beengten Verhältnissen im Archivgebäude am
Waterlooplatz zu befreien und damit die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen für eine großzügige
Erweiterung der Aufgaben und Funktionen, die seither Platz gegriffen hat. Die Durchsetzung der
Bauplanung ist das ganz persönliche Verdienst von Wilhelm Totok, der mit großem Einsatz jahrelang
um ein Grundstück und um die Aufnahme des Projekts in die Finanzplanung des Landes gekämpft
hat.
Nach der Errichtung der Mauer geriet die bis da h i n allein von der Berliner Akademie der
Wissenschaften betreute Edition der "Sämtlichen Schriften und Briefe" von Gottfried Wilhelm Leibniz
in eine Krise, denn die Mitarbeiter waren zum Teil im Westen ansässig, und vor allem lagen die als
Grundlage unentbehrlichen Handschriften in Hannover. Durch die Errichtung des Leibniz-Archivs an
der Niedersächsischen Landesbibliothek mit elf festen Stellen für wissenschaftliche Editoren, durch
die Aufnahme des Archivs in das Akademienprogramm und damit seine dauerhafte finanzielle
Sicherung sowie durch die Einbindung der Göttinger Akademie der Wissenschaften in die Edition
wurden die Fundamente geschaffen, auf denen die äußerst erfolgreiche Arbeit des Archivs bis heute
ruht. Auch diese Erfolge sind über die institutionellen Leistungen hinaus das persönliche Verdienst von
Wilhelm Totok, der die Ideen entwickelte, die Kontakte knüpfte und mit unermüdlicher Geduld die
Verwirklichung vorantrieb. Wilhelm Totok zählte 1962 zu den Gründungsmitgliedern der Leibniz-
Gesellschaft.
Als Geschäftsführer ist er nun seit fast 40 Jahren für die laufende Arbeit dieser weltweit angesehenen
Vereinigung verantwortlich, die neben einem reichhaltigen Vortragsprogramm in regelmäßiger Folge
die internationalen Leibniz-Kongresse veranstaltet.
Mit dem in den 60er-Jahren begonnenen Ausbau der Technischen Hochschule Hannover zur
Volluniversität stellte sich das Problem der Literaturversorgung für deren neue nicht
naturwissenschaftliche und nicht technische Fachbereiche. In Hannover konnte darauf verzichtet
werden, die bestehende Universitätsbibliothek mit großem Aufwand für diese neue und zusätzliche
Aufgabe auszustatten, weil sich die Niedersächsische Landesbibliothek bereit erklärte, in diese
Funktion einzutreten, wofür ihre geistes- und sozialwissenschaftlichen Bestände gute
Voraussetzungen boten. In enger und kollegialer Zusammenarbeit mit dem damaligen Direktor der
Universitätsbibliothek, Dr. Ekkehard Vesper, sowie dem Ministerialdirigenten im Kultusministerium, Dr.
Rolf Schneider, wurde ein Modell entwickelt, das mit der Angliederung der einschlägigen
Fachbereichsbibliotheken an die Landesbibliothek bis heute die Aufgabe der universitären
Literaturversorgung zu allseitiger Zufriedenheit erfüllt.
Neben der erfolgreichen Leitung der Niedersächsischen Landesbibliothek ist Wilhelm Totok lange
Jahre im bibliothekarischen Verbandswesen aktiv gewesen, und zwar während einer ausgesprochen
zukunftsfrohen Zeit, in der nach den Jahren des Wiederaufbaus die Weichen gestellt wurden für die
Umstrukturierung und den starken Ausbau des deutschen Bibliothekswesens im Zeichen der
Bildungsreform. Er war Vorsitzender des Vereins Deutscher Bibliothekare von 1973 bis 1975 und hat
in dieser Funktion den Übergang der Sacharbeit an die Vorgängereinrichtungen des 1978
gegründeten Deutschen Bibliotheksinstituts in die Wege geleitet. 1977 wurde er zum Vorsitzenden des
Deutschen Bibliotheksverbandes gewählt, er war der erste Vertreter aus dem Bereich der
wissenschaftlichen Bibliotheken an der Spitze dieses zur Vertretung aller Bibliothekstypen erweiterten
Institutionenverbandes. In dieser Funktion konnte er die Verhandlungen zur Gründungdes Deutschen
Bibliotheksinstitutes erfolgreich zum Abschluss bringen, dessen "Vaterschaft" ihm zu Recht
zugeschrieben wird und dessen Kuratorium er von Anfang a n angehörte. 20 Jahre später blieb es ihm
nicht erspart, dem willkürlichen Abbau dieser inzwischen zum unentbehrlichen Bestandteil der
deutschen Bibliothekslandschaft gewordenen Einrichtung zusehen zu müssen. Wilhelm Totok wirkte
von 1965 bis 1967 als einer der drei Herausgeber der "Zeitschrift für Bibliothekswesen und
Bibliographie" und von 1968 bis 1986 als Mitherausgeber. "So hat er", wie Günter Pflug bei seinem
Ausscheiden schrieb, "mehr als 21 Jahre ihr Gesicht mitbestimmt, wie er die deutsche
Bibliotheksentwicklung mitgeprägt hat, mit großem sachlichem Interesse, voll neuer Ideen, mit
bibliographischem Eros und kompetent auf all den von ihm repräsentierten Feldern".
Durch seine Verbandstätigkeit wie durch seine Fachveröffentlichungen galt Wilhelm Totok während
seiner Dienstzeit weit über Hannover hinaus als einer der prominentesten deutschen Bibliothekare
und als international renommierter Vertreter unseres Berufsstandes. Auf seine zahlreichen
wissenschaftlichen und bibliothekarischen Veröffentlichungen kann hier nur ganz summarisch
hingewiesen werden. Sein Name steht als Kurzbegriff für das zusammen mit Rolf Weitzel verfasste
und bis heute maßgebliche "Handbuch der bibliographischen Nachschlagewerke" - eben der "Totok",
ein Lehrbuch, das seit Jahrzehnten jeder angehende Bibliothekar in die Hand nehmen muss, um die
für die Berufspraxis unabdingbaren bibliographischen Kenntnisse zu erwerben. Es ist in sechs
Auflagen erschienen und stellt im deutschen Sprachraum das umfangreichste und weitaus
bekannteste Kompendium dieser Art dar. Wilhelm Totok betätigte sich auch in seinem
Wissenschaftsfach als Bibliograph und stellte, zeitweise unterstützt durch die Deutsche
Forschungsgemeinschaft, in bewundernswerter und nie ermüdender Arbeit das sechsbändige
"Handbuch der Geschichte der Philosophie" (1964-1990, Bd. 1 in zweiter, völlig neu bearb. Aufl. 1997)
zusammen, das die Literatur zu den großen philosophischen Autoren umfassend verzeichnet.
Wilhelm Totok setzte, was besonders hervorzuheben ist, seine öffentliche Wirksamkeit auch nach dem
Ende seiner Dienstzeit fort. Neben der Geschäftsführung der Leibniz-Gesellschaft hat er seither eine
Reihe von ehrenamtlichen Funktionen wahrgenommen, die ihm in der Öffentlichkeit großes Ansehen
eingetragen haben. Er wurde zum Gründungsvorsitzenden des Trägervereins der Bundesakademie
für musisch-kulturelle Bildung in Wolfenbüttel gewählt und gehörte längere Zeit der Jury für den
Niedersachsenpreis an.
Anlässlich seines Jubiläums danke ich Wilhelm Totok im Namen aller Berufskollegen für sein
Lebenswerk als Bibliothekar, als Leibnizforscher und als Repräsentant unseres Berufsstandes und
wünsche ihm. weiterhin glückliche und erfolgreiche Jahre.
Wolfgang Dittrich
In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. 48 (2001), S. 314-315
Wilhelm Totok 2001,
Foto: privat